Knappe Antworten auf unsere Anfrage zur häuslichen Gewalt – die neue Fragen aufwerfen

Am gestrigen Dienstag, den 9. März 2021, erhielten wir die Antwort auf unsere Anfrage zum Thema häusliche Gewalt, die wir am 5. Februar gestellt hatten. Warum das Landratsamt dafür einen Monat gebraucht hat, ist kaum nachzuvollziehen, fallen doch die Antworten auf die fünf Fragen äußerst knapp aus.

Unsere Fragen lauteten:

  1. Gab es im Jahr 2020 im Erzgebirgskreis eine Zunahme der Fälle von häuslicher Gewalt? Bitte möglichst aufschlüsseln nach Altersgruppen und Geschlecht.
  2. Wie waren die zwei Frauenschutzwohnungen des Landkreises im Jahr 2020 belegt?
  3. Ist eine umfassende Betreuung der Frauen und Kinder in den Schutzwohnungen gewährleistet?
  4. Wie sieht während der Corona-Pandemie – also seit Anfang 2020 – die Präventionsarbeit bezüglich häuslicher Gewalt aus?
  5. Welche Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema häusliche Gewalt betreibt der Landkreis seit Beginn der Corona-Pandemie bis jetzt?
Undine Fritzsche

Zu Frage 1 verweist Landrat Frank Vogel darauf, dass die Zahlen für 2020 erst im dritten Quartal 2021 vorliegen werden, zudem erfolge die Erhebung der Daten nicht durch den Landkreis. Dazu SPD-Kreisrätin Undine Fritzsche: „Ein Landratsamt sollte die Entwicklung der Fälle von häuslicher Gewalt im Landkreis im Auge behalten und in der Lage sein, eine Einschätzung abzugeben, auch wenn keine ganz genauen Zahlen geliefert werden können. Schließlich ist zum Beispiel das Referat Jugendhilfe im Landratsamt zuständig, wenn Kinder und Jugendliche von häuslicher Gewalt betroffen sind.“

Bei Frage 2 zur Belegung der zwei Frauenschutzwohnungen im Landkreis lautet die Antwort: „Hierzu wurde zeitgleich eine Anfrage von Frau Kreisrätin Loth (DIE LINKE) gestellt, auf die ich verweise.“ SPD-Fraktionsvorsitzender Jörg Neubert kann diese Antwort von Landrat Frank Vogel nicht nachvollziehen: „Wir hätten uns doch sehr gefreut, wenn der Landrat unsere Anfrage ohne Verweis auf Anfragen anderer beantwortet hätte. Wir sind die SPD und nicht DIE LINKE. Wenn wir mit anderen Fraktionen gemeinsam eine Anfrage oder einen Antrag stellen, dann zeigen wir das auch an.“

Zu Frage 4, zur Präventionsarbeit während der Corona-Pandemie, also seit Anfang 2020, schreibt Landrat Frank Vogel: „Coronabedingt war die Durchführung von präventiven Veranstaltungen (Workshops, öffentliche Vorträge, Präventionsarbeit gegen häusliche Gewalt in Schulen, etc.) nicht möglich.“ Stattgefunden habe die Netzwerkarbeit der Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen. Kreisrätin Undine Fritzsche: „Landrat Frank Vogel sagt also, dass seit mehr als einem Jahr keine Präventionsveranstaltungen stattfinden – das ist nicht akzeptabel. Es muss doch möglich sein, Alternativen zu finden, die auch bei Kontaktbeschränkungen und Lockdown möglich sind, zum Beispiel in digitaler Form.“

Eine interessante Antwort bekamen wir auch auf Frage 5: Die Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema häusliche Gewalt habe sich seit der Corona-Pandemie nicht verändert, sie beschränke sich „auf die Bekanntgabe der Beratungsangebote in Flyern der Träger“. Dazu Kreisrätin Undine Fritzsche: „Das reicht nicht. Der Landkreis sollte diesem Thema in seiner Öffentlichkeitsarbeit Raum bieten und zum Beispiel auf seiner Website Neuigkeiten dazu bringen. Außerdem sollte er die Informationen und Hilfsangebote für Personen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, so auf der Website platzieren, dass sie auch sofort und leicht gefunden werden. Das ist aktuell nicht der Fall, gleich ob man auf der Landkreis-Website oder über Google sucht.“

Dabei ist es auch und gerade in der Corona-Pandemie enorm wichtig, zu häuslicher Gewalt zu informieren. Am 9. März 2021 hat das sächsische Staatsministerium des Innern seine Übersicht zur Kriminalitätsentwicklung im Freistaat Sachsen im Jahr 2020 herausgegeben. Demnach sind in Sachsen im Jahr 2020 die Fälle häuslicher Gewalt deutlich gestiegen, obwohl wegen des Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen teils die Kontrolle bzw. das Eingreifen von außen nicht stattfinden konnte, sodass die Dunkelziffer möglicherweise höher sein könnte als in den Vorjahren.

Die Zahlen zu Straftaten häuslicher Gewalt in Sachsen von 2016 bis 2020:

2016: 8.323
2017: 8.405
2018: 8.635
2019: 8.890
2020: 9.235

Häusliche Gewalt kommt demnach am häufigsten in ehemaligen Partnerschaften, in nichtehelichen Lebensgemeinschaften und zwischen Ehepartnern vor. Wie die Zahlen im Erzgebirgskreis sind, wird wie oben erwähnt erst im dritten Quartal 2021 im Lagebild des Landeskriminalamts Sachsen veröffentlicht.

Zusammenfassend sieht die SPD-Fraktion Handlungsbedarf aufseiten des Landratsamts, dazu werden wir eine neue Anfrage stellen.


Im Erzgebirgskreis stehen für Opfer häuslicher Gewalt zwei Frauenschutzwohnungen zur Verfügung. Wer von häuslicher Gewalt betroffen ist, ruft bei der Polizei (Telefon 110) oder der Rettungsleitstelle (Telefon 112) an. In den vier Polizeirevieren und in der Rettungsleitstelle Erzgebirgskreis wird dann umgehend Hilfe in die Wege geleitet, rund um die Uhr, jeden Tag im Jahr.

Hilfe-Telefonnummern: