Kreistagssitzung am 2. Dezember 2020: Statement zum Doppelhaushalt 2021/22

Die sechste Sitzung des Kreistags des Erzgebirgskreises fand am 2. Dezember 2020 in Annaberg-Buchholz statt, nicht im Landratsamtsgebäude, sondern in der Festhalle, da dort besser Abstand gehalten werden konnte. Der wichtigste Tagesordnungspunkt war die Abstimmung zur Haushaltssatzung des Erzgebirgskreises für die Haushaltsjahre 2021 und 2022. Dazu trug der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion Jörg Neubert ein Statement vor, das Sie hier nachlesen können.

Jörg Neubert

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kreisrätinnen und Kreisräte,

dieser Haushalt ist anders. Beim letzten Doppelhaushalt vor zwei Jahren plante der Landkreis für 2019 und 2020 noch ein Gesamtergebnis von 3,8 Millionen Euro bzw. 3,0 Millionen Euro. Diese geplanten 3,8 Millionen Euro wurden sogar übertroffen – vorhin haben wir den Jahresabschluss 2019 mit einem Ergebnis von 4,5 Millionen Euro bestätigt, was eine Erhöhung des Bestandes an Zahlungsmitteln um 9 Millionen Euro auf 45 Millionen Euro zur Folge hat. Die Rücklagen zum Ausgleich von eventuellen Fehlbeträgen sind auf eine Höhe von 62 Millionen Euro angewachsen. Die letzten Zahlen zum Vollzug des Haushaltsjahres 2020, Stand Kreis- und Finanzausschuss am 14. September 2020, sehen ein Ergebnis von 6 Millionen Euro für 2020. Geplant waren nur 3 Millionen Euro. Der letzte Doppelhaushalt war in beiden Jahren einstellig positiv geplant und wurde jeweils erreicht. Es wurde nicht nur positiv, sondern gut geplant. Und der Vollzug war auch gut. Das Planziel wurde jeweils übertroffen, es konnten Rücklagen gebildet werden und das bei der niedrigsten Kreisumlage sachsenweit. Ein Lob an die Haushälterinnen und Haushälter!

Für 2021 und 2022 plant das Landratsamt nun mit -10,5 Millionen Euro und -6,5 Millionen Euro. Das klingt negativ. Der Zahlungsmittelsaldo aus laufender Verwaltungstätigkeit deckt nicht den Betrag der ordentlichen Kredittilgung. Diese Zielstellung ist angesichts der aktu-ellen Finanzlage unrealistisch. Früher war das der Grund, um den Haushalt von der Rechtsaufsicht nicht bestätigt zu bekommen. Heute ist das okay, wenn die Fristenkongruenz gewährleistet ist. Die durchschnittliche rechnerische Tilgungsdauer ist nicht länger als die durchschnittliche Abschreibungsdauer. Und das ist deutlich der Fall. Alles gut also!

Worum es im neuen Doppelhaushalt geht: weniger Bedarfsgemeinschaften hier, höhere Kostensätze und mehr Fälle im Pflege- und Erziehungsbereich da. Ich gehe ob der verkürzten Redezeit nicht auf den Hauptteil ein. Es konnte bisher stets alles gedeckt werden. Es wurde gut gewirtschaftet, das zeigen die Jahresrechnungen der letzten Jahre. Woher kommt das Minus? Es wird investiert! Deutlich sieht man das bei den Auszahlungen für Investitionen, diese übersteigen deren Einnahmen um 11,4 Millionen Euro in 2021 und 12,0 Millionen Euro in 2022. Wir investieren zum Beispiel in immaterielle Vermögensgegenstände, also Software für die Landkreis-IT und Schulen, ins Dokumentenmanagementsystem zur Verwaltungsmodernisierung. Ich finde die Beträge 0,581 Millionen Euro und 0,298 Millionen Euro in Anbetracht der Dimension und Dynamik der Digitalisierung unserer Gesellschaft zu niedrig angesetzt. Ich fürchte, dass die Kosten für Software und Schulung in Zukunft steigen werden. Und vor allem brauchen wir Leute, Menschen, Expertinnen und Experten, Personal, das die Infrastruktur installiert und pflegt. Wo sind diese Kosten?

Der entscheidende Posten an Investitionen sind die Baumaßnahmen. 21,4 Millionen Euro und 24,5 Millionen Euro sind ein Aufwuchs von 68 % bzw. 50 %.

  • Baumaßnahmen (ohne Digitalpakt): 2021 8,7 Millionen Euro, 2022 9,1 Millionen Euro
  • Schulgebäude im Zusammenhang mit Digitalpakt: 2021 4,5 Millionen Euro, 2022 3,3 Millionen Euro
  • Kreisstraßen: 2021 7,8 Millionen Euro, 2022 11,6 Millionen Euro

Es ist eine lange Liste, die wesentlichen Bestandteile sind Schulen (Digitalisierung), Katastrophenschutz, Kreisstraßen. An dieser Stelle zwei Hinweise zur Straßeninfrastruktur: Ich finde es gut, dass der Landkreis dort, wo ihm die Straße gehört, etwas tut. Und ich hoffe, das Drumherum, also Radweg daneben und Glasfaser darunter, ist auch gut. Aber die Kreisstraßen stellen nur einen Bruchteil der Straßeninfrastruktur dar. Bund und Land sind hier in den nächsten Jahren zu verstärktem Engagement aufgefordert, in Bezug auf Straßen, Radwege, Glasfaserkabel. Es ist der richtige Zeitpunkt, nach einer Pandemie zu niedrigsten Zinsen, aus gut gefüllten Kassen in die richtigen Projekte – Infrastruktur, Schulen, Digitalisierung – zu investieren.

Wir schaffen das, wenn die Schlüsselzuweisungen im angebrachten Umfang fließen, ein Corona-Schutzschirm uns vor harten Belastungen schützt. Denn wir wollen trotz dieser hohen Investitionen die Kreisumlage von 28,7 % so lange wie möglich halten, sie gibt unseren Städten und Gemeinden die Luft zum Atmen. Investitionen und negative Ergebnisse führen zu Verbindlichkeiten. Ja, wir nehmen 8 und 12 Millionen Euro Kredit auf. Unser Schuldenstand von 48,6 Millionen Euro verringert sich dadurch nicht. Aber er steigt nur auf 51,0 Millionen Euro in 2021 bzw. 57,1 Millionen Euro in 2022. Die Rücklagen verringern sich auf 54,8 bzw. 48,3 Millionen Euro zum 1. Januar 2023. Das ist vertretbar. In Anbetracht der Niedrigstzinsen ist es gar geboten, in die Zukunft zu investieren.

Aber kein Haushalt ohne Kritik. Fakt ist, Personalinvestitionen müssen folgen. Wir müssen den Sachinvestitionen auch Investitionen in Menschen, also Personal, folgen lassen! Beispiel Schulen – Wöller hat als Kultusminister gesagt: „Die wichtigste und effektivste Investition in unseren Schulen ist gutes Lehrpersonal.“ Nun, das ist Aufgabe des Landes und nicht Gegenstand des Kreishaushaltes. Die Investition in die Schulausstattung ist nicht für die Lehrerinnen und Lehrer, für die ist es eher Stress, sie würden sich über Gratisparkplätze an der Schule mehr freuen. Nein, die Millionen Euro sollten eine Investition in unsere Jugend sein. Die jungen Erzgebirgerinnen und Erzgebirger, ob sie von hier stammen oder nicht,  mögen im Erzgebirge Wurzeln schlagen und unsere Heimat voranbringen.

Dazu ist eine Fokussierung auf den Übergang von Schule ins Berufsleben vonnöten, das heißt weiterführende Schulen und eine enge Verzahnung mit den Betrieben, die bitte auch ausbilden hier im Erzgebirge. Den jungen Leuten müssen wir zeigen: Ihr habt hier nicht nur eine schöne Kindheit und Jugend. Ihr könnt hier nicht nur gut wohnen, sondern auch leben und arbeiten zu fairen Löhnen. Wie können wir das finanziell supporten? Beispiel Digitalisierung: Die neuen Hardware- und Softwareumgebungen brauchen enorm viel Pflege, Instandhaltung, Schulung und Weiterentwicklung von Leuten vor Ort. Dazu benötigt man Menschen und nicht nur Material. Wer soll die Hardware und Software pflegen und zur effektiven Nutzung führen?
Die Fortschreibung der Personalkosten im Doppelhaushalt mit nur 2 % schätzen wir dafür als viel zu gering ein.

Nun zum Fazit: Die Haushalte der letzten Jahre versetzen uns in die Lage, investieren zu können. Das bedeutet auch Lob und Anerkennung für die Damen und Herren der Finanzverwaltung. Hohe Investitionen aus gut gefüllten Kassen in Infrastruktur, Schulen und Digitalisierung bei händelbaren Verbindlichkeiten und geringster Kreisumlage sind in dieser Zeit genau richtig. Lassen Sie dabei die Personalentwicklung nicht aus dem Blick, denn gutes Personal gibt es nicht mal eben im Supermarkt zu kaufen.